Blutopfer by Britt Reißmann

Autor:Britt Reißmann
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
Tags: Crime, Mystery & Detective, General, Fiction
ISBN: 9783641131869
Herausgeber: Diana Verlag
veröffentlicht: 2014-07-13T22:00:00+00:00

6

Das Gespräch mit Hannah hatte gutgetan. Da Joost am nächsten Morgen einen Arzttermin wahrnehmen musste und deshalb die Besprechung erst auf zehn Uhr angesetzt war, hatte Verena beschlossen, auszuschlafen und in aller Ruhe zu frühstücken.

Als sie aufstand, war Mona gerade im Begriff, zur Schule zu gehen. Verena fing sie an der Tür ab.

»Warte! Hast du dein Frühstück eingepackt?«

Mona verdrehte die Augen.

»Ja, Mom. Mach’ ich doch immer!«

»Eben nicht. Letzte Woche hast du es vergessen. Hast du auch die Trinkflasche? Du weißt, das Gehirn braucht Flüssigkeit, um denken zu können.«

Mona grinste. »Mein Gehirn könnte sich freischwimmen, so viel Apfelschorle hast du mir abgefüllt. Warum behandelst du mich eigentlich immer noch wie ein kleines Kind?«

Verena seufzte. »Weil Töchter für ihre Mütter immer Kinder bleiben, egal, wie alt sie sind.« Sie drückte Mona einen Kuss auf die Stirn. »Und jetzt verschwinde und mach mir keine Schande!«

»Ich werde mir Mühe geben.« Schon war Mona zur Tür hinaus.

Verena sah ihr nach, bis sie hinter der Biegung des Treppenabsatzes verschwand. Wie sie dieses Kind liebte! Sie liebte es so sehr, dass es wehtat. Egal, wie zickig und schwierig es manchmal war. Egal, mit wem sie sich herumtrieb und wie viele Mathearbeiten sie schon verhauen hatte, ihr Herz stand sperrangelweit offen, sooft sie Mona nur ansah.

Leise schloss sie die Wohnungstür und setzte sich an den Frühstückstisch. Sie lächelte, als sie sah, dass Mona ihr Kaffee gekocht hatte, und nahm es als gutes Omen für den Tag. Ein Croissant lag noch im Brotkorb. Sie tunkte es in den Kaffee, der ein bisschen dünn geraten war, aber Verena wusste den guten Willen zu schätzen und trank ihn trotzdem. Während sie frühstückte, dachte sie über Hannah nach. Die Leichen im Keller, die Hannah erwähnt hatte, waren nicht mehr zur Sprache gekommen. Hannah hatte schnell das Thema gewechselt, und dann war es zu spät gewesen, die Frage noch einmal aufzugreifen. Sie hatten bis Mitternacht zusammengesessen, Tee getrunken und geredet. Ihr wurde bewusst, dass sie selbst die meiste Zeit gesprochen hatte. Hannah hatte überwiegend zugehört und geantwortet, aber wenig von sich selbst preisgegeben. Bis auf den kurzen Augenblick, der bereits nach einem Lidschlag vorbei war, als hätte er nie existiert, als sich ein kleines Fenster zu Hannahs Seele geöffnet hatte.

Vielleicht war es die Psychologin in ihr, die es gewohnt war zuzuhören und auch nach Feierabend gar nicht anders konnte? Hatte sie kein Mitteilungsbedürfnis? Verena hätte viel dafür gegeben, einen Blick auf die Leichen in Hannahs Keller werfen zu dürfen.

Ach was, sie kannten sich erst so kurze Zeit, vielleicht erwartete sie einfach zu viel. Der Tag würde kommen, an dem Hannah ihr ihre Probleme und Freuden anvertrauen würde, da war sie ziemlich sicher.

Verena schaute zur Uhr. Schon neun vorbei, jetzt wurde es langsam Zeit. Sie nahm Jacke und Handtasche vom Haken, schloss die Tür hinter sich ab und lief die Treppe hinunter.

Am Briefkasten stoppte sie. Die Post war schon da gewesen. Vielleicht fand sie im Büro Zeit, einen Blick in die Zeitung zu werfen. Als sie den Kasten aufschloss, fiel ihr außer den Stuttgarter Nachrichten ein Brief entgegen.

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